Du schreibst Geschichten, weißt aber nicht, ob du einen Roman bewältigen kannst? Hast zig Seiten geschrieben und weißt nicht, was die Figur als nächstes tun soll? Hast keinen Plan? Kein Problem! Du brauchst keinen Plan. Es gibt eine Vorgehensweise, bei der du ohne jede Planung immer weißt, was die Figur als nächstes tun sollte. Damit gelingt dir das Romanschreiben so mühelos, wie das Schreiben kurzer Geschichten. Du kommst kinderleicht auf Ideen, und kannst dich von Schreibblockaden für immer verabschieden. Die Vorgehensweise lautet:

Finde für jede Lösung ein passendes Problem.

Beispiel Kinderfilm

Wie ist es möglich, dass Menschen Geschichten schreiben, aber glauben, sie könnten keinen Roman schreiben?

 

Ein Roman besteht aus Geschichten.

 

Bei einem spannenden Roman könnte man an einer beliebigen Stelle eine Szene herausreißen, und wenn man nur die lesen könnte, wäre sie für sich allein spannend.

 

Der entscheidende Unterschied zwischen einer Geschichtensammlung und einem Roman:

Was auch immer die Romanfigur gerade tut, ist notwendig, um das große Ziel des Romans zu erreichen.

Als Kind musste ich mal unter ein Schiff tauchen und ein Seil heraussägen, das sich in der Schiffsschraube verfangen hatte. Es gab keine Taucherausrüstung, ich musste die Luft anhalten. Das, was ich als Kind sowieso gerne tat, Schwimmen und Tauchen, was mir Spaß machte, war auf einmal notwendig geworden. Sonst hätte das Schiff nicht weiterfahren können.

 

Warum nicht genau so vorgehen, wenn man eine Romanszene schreibt?

 

Du schreibst ein Erlebnis aus deiner Kindheit auf. Und dann denkst du dir ein Problem aus, das es zwingend notwendig ist, das zu tun, um das große Ziel zu erreichen.

 

Ich versuche mal, es an einem Beispiel zu erklären:

 

Nehmen wir an, du erinnerst dich an zehn Kindheitserlebnisse, die dir als Kind Spaß machten, und schreibst sie auf:

 

Burg besichtigt.

Verstecken gespielt.

Mit einem Ballon geflogen.

Mit einem Flugzeug geflogen.

Mit Holz gebastelt.

Feuerwerk angezündet.

Haustier gehabt.

Auf einer Insel übernachtet.

Eine Bude gebaut.

Mit einem Segelschiff gefahren.

 

Jetzt nimmst du das erste Kindheitserlebnis: Burg besichtigt. Dazu denkst du dir ein Problem aus: Du bekommst einen Brief. Eine entführte Person wird in der Burg gefangen gehalten. Du musst die Burg besichtigen (durchsuchen), um sie zu befreien.

 

Die Handlung deiner kurzen Geschichte sieht so aus:

 

Brief - Burg - Befreiung.

 

Du nimmt das zweite Kindheitserlebnis deiner Liste: Verstecken gespielt. Warum ist das zwingend notwendig, um die entführte Person zu befreien? Die Burg wird bewacht. Du und deine Freunde, ihr versteckt euch in den Kanonen, die in die Burg gebracht werden, um unbemerkt hinein zu gelangen.

 

Jetzt ist die Geschichte etwas länger:

 

Brief - Verstecken - Burg - Befreiung.

 

Bevor der Schritt eingefügt wurde, war es eine geschlossene Handlung, die vom Anfang bis zum Ziel führt. Jetzt ist es noch immer eine geschlossene Handlung.

 

Der Ballonflug ist notwendig, weil die Burg in einem fernen Land steht. Mit dem Flugzeug zu fliegen, ist notwendig, weil der Ballon schlapp macht. Das Basteln mit Holz ist notwendig, um an ein Flugzeug zu gelangen. Ihr baut das Flugzeug selber.

 

Die Handlung wird immer länger:

 

Brief - Ballon - Basteln - Flugzeug - Verstecken - Burg - Befreiung.

 

Fünf Kindheitserlebnisse hast du verarbeitet, und es ist und bleibt eine geschlossene Handlung, die vom Anfang bis zum Ende führt. Du baust die Erlebnisse nicht der Reihe nach ein, sondern Stück für Stück jeweils an der Stelle, wo es am besten passt.

 

Das Feuerwerk ist notwendig, um ein Loch in die Burg zu sprengen, das Haustier hält nachts Wache, damit der Ballon nicht zu tief sinkt, auf der Insel müsst ihr notlanden, weil das Flugzeug kaputt geht, die Bude schützt euch vor wilden Tieren, und mit dem Segelschiff fahrt ihr von der Insel zur Burg.

 

Spätestens jetzt merkst du, dass ich für dieses Beispiel die Handlung eines bekannten und erfolgreichen Kinderfilms verarbeitet habe. Und die sieht so aus:

 

Brief - Ballon - Haustier - Basteln - Flugzeug - Insel - Segeln - Verstecken - Burg - Sprengung - Befreiung.

 

Jeder der elf Schritte ist notwendig, um das Ziel zu erreichen: Die entführte Person zu befreien.

 

Wenn du beim Schreiben nicht weiter weißt, schreib irgendein Kindheitserlebnis auf, das dir gerade einfällt, was du als Kind getan hast, was dir Spaß gemacht hat. Oder was du gelesen oder im Film gesehen und gerne selbst getan hättest. Oder was du nie tun konntest, dir aber erträumt hast, und gern getan hättest. Mach dir keine Sorgen, ob es zur Romanhandlung passt. Mit der Zeit fällt dir ein Problem ein, das sich mit diesem Kindheitserlebnis lösen lässt. Es passt immer.

Beispiel, wie ich es mache

Jetzt denkst du: „Der alte Holzkopf kann mir viel erzählen. Alles nur Theorie.“

 

Na gut. Acht Beispiele aus einem Buch, das ich wirklich geschrieben habe:

 

Ein Kind lässt das Badezimmer bis zur Decke voll Wasser laufen.

Bei den Pfadfindern haben wir eine Plattform auf einem Baum gebaut.

Kinder lassen sich in einen riesigen Berg aus Daunendecken fallen.

Kinder hacken Holz mit einem Beil. 

Kinder richten sich eine geheime Zuflucht ein, in der sie wohnen.

Ich träumte von einer Platte, auf der ich sitzen und damit fliegen konnte.

Kinder erforschen eine Windmühle mit all den Zahnrädern und Mühlsteinen.

Ein Junge schneidet unter Wasser eine Schnur durch und rettet ein Mädchen.

 

All diese Dinge habe ich für die Handlung zwingend notwendig gemacht:

 

Ein Junge ist im fensterlosen Badezimmer eingesperrt und muss sich befreien, um rechtzeitig einen Mord zu verhindern. Wasserdruck ist das einzige Mittel, um die Tür aufzubrechen
 

Kinder auf Schatzsuche müssen auf einer einsamen Insel übernachten. Die Kinder können nicht auf der Erde zelten, weil dort eine Schlange kriecht. Sie bauen eine Plattform auf einem Baum.

 

Kinder müssen von einem Dachstuhl herunterkommen, haben aber keine Leiter. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich fallen zu lassen. Auf dem Dachboden werden riesige Stapel Daunendecken gelagert.

 

Kinder finden ein Haus, in dem ein Schatz versteckt sein soll, haben aber keinen Schlüssel. Was bleibt ihnen anderes übrig, als die Tür aufzuhacken?

 

Kinder wollen ein Schloss durchsuchen und nicht erwischt werden. Das dauert einige Tage. Sie richten sich auf dem Dachboden eine geheime Zuflucht ein, basteln sich Hängematten zum Schlafen und benutzen eine Schornsteinfegerklappe als Kamin.

 

Kinder wollen sich durch einen Schornstein abseilen, um ihren Hund zu befreien, den ein Erpresser entführt hat. An den Schornstein gelangen sie mit einer schwebenden Flugscheibe.

 

Kinder müssen herausfinden, wie man eine Windmühle in Gang setzt, damit der Kran läuft, den sie brauchen, um die Säcke anzuheben, unter denen die Papiere versteckt sind, die sie für die Schatzsuche benötigen. Danach wissen sie, wie die Windmühle funktioniert mit all den Zahnrädern und Mühlsteinen.

 

In meiner Kindheit war ein Mädchen in eine tiefe Grube gefallen, und kam nicht mehr heraus. Dann kam ein großer Junge und rettete es. Ein paar Minuten später kam ich dazu und wünschte,  ich wäre eher gekommen. Aus dieser wahren Begebenheit und aus der wahren Begebenheit mit dem Seil, das ich unter Wasser aus der Schiffsschraube herausgesägt habe, bildete ich eine Szene in meinem Buch: Ein Mörder wirft ein Mädchen, an dem ein Gewicht angebunden ist, von einer Brücke in einen Fluss. Ein Junge hat Angst um das arme Kind. Er springt, taucht, schneidet die Schnur durch, an der das Gewicht hängt, und rettet das Mädchen. Erst lange danach fiel mir ein passendes Mordmotiv ein. Noch später las ich einen Kurzkrimi mit einer unglaublich raffinierten Mordermittlung, und wandelte diese ab, damit der Junge den Mord vorhersieht und dem Mörder auf der Brücke auflauern kann. Er schließt mit dem Mädchen Freundschaft. Irgendwann kam mir die Idee, im Kontrast dazu müssten sie vorher erbitterte Feinde sein, und ich schrieb, das Mädchen spiele dem Jungen viele böse Streiche. Ideen dafür kamen mir erst nach und nach. Für die Streiche brauchte es ein Motiv: Sie will den Jungen erpressen, damit er ihr seinen Hund schenkt. Irgendwann fiel mir wieder ein, dass ich mal einen Marder mit der Nuckelflasche aufgezogen habe, dessen Mutter von einem Auto angefahren wurde und starb. Ich schrieb, dass der Junge seinen Hund auf diese Weise aufgezogen hat und ihn deshalb so liebt, dass er ihn nicht hergeben möchte. Hin und wieder brauchte ich eine zunächst völlig unwichtige Nebenfigur, eine Frau, die dem Jungen Hilfe leistete. Sie leistete aber immer öfter Hilfe und setzte sich aufopfernd für den Jungen ein. Wenn er etwas brauchte, besorgte und schenkte sie es ihm, obwohl sie arm war. Sie wurde von dem Mörder gehasst, beleidigt und fast zu Tode gequält. Aus Jux schrieb ich, sie bleibe dabei immer fröhlich und lächelte. Es ergab sich aus der Handlung, dass jemand fragte, was sie will, und sie erzählte, sie sehne sich im tiefsten Innern leidenschaftlich nach etwas, das sie sich von ganzem Herzen wünschte und nie bekam. Was konnte das sein? Irgendwann kam mir die Idee: Sie wollte Kinder, bekam aber keine. Ich schrieb, dass der Junge und das Mädchen obdachlose Waisenkinder waren, und die Frau sie aufnahm. Ich war völlig überrascht, als eine Leserin sagte, die Frau sei die eigentliche Hauptfigur des Romans. Daraufhin schrieb ich das Ende um, damit es auch für sie ein Happy End gab. Eine Überraschung, welche am Ende die ganze Handlung in einem anderen Licht erscheinen lässt.

 

So. Nun zu einem anderen Thema: Wie erzeugt man Spannung beim Schreiben?

Setze dir beim Schreiben das Ziel, ein Verlangen zum Handeln zu wecken.

Was genau ist Spannung?

 

Um das herauszufinden, habe ich über einen langen Zeitraum darauf geachtet, an welcher Stelle ich ein Buch oder einen Film spannend fand und mich dann gefragt, was ich in dem Moment empfand, was in mir vorging.

 

Spannung ist das Verlangen, zu handeln.

 

Damit meine ich: Die Romanfigur hat ein Verlangen, etwas zu tun, und ich als Leser versetze mich in sie hinein und empfinde das Verlangen, in der Rolle der Figur das zu tun, was die Figur tut. Um es tun zu können, muss ich lesen, damit ich mir beim Lesen vorstellen kann, ich täte es wirklich.

 

Als ich elf Jahre alt war, kam eine Zeichentrickserie, in der ein Mädchen in eine Almhütte eingeladen war, oben auf einem hohen Berg. Das Mädchen saß im Rollstuhl. Ich hatte mich so tief in den Film hineinversetzt, dass es für mich so war, als ob ich selber in dem Film sei und das Mädchen auf den Berg hinauf tragen müsste. Ich hatte sogar nachts von ihr geträumt. Ich musste diese Folge sehen, weil ich das Mädchen hinauftragen musste. Ich wollte es tun, und ich wollte nicht, dass jemand anders es tat. Ich musste bei ihr sein, und dazu musste ich die Folge sehen. Unbedingt. Aber ich habe sie verpasst. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schmerzhaft das war. Was hätte ich dafür gegeben, die Folge doch noch sehen zu dürfen. Die Filmemacher hatten es geschafft. Sie hatten in mir das Verlangen erzeugt, zu handeln. Das ist Spannung.

 

Welche Figur es war, die im Film das Mädchen auf den Berg trug, wusste ich nicht, und es interessierte mich nicht. Identifiziert hatte ich mich nicht mit der Figur. Sondern nur mit der Situation, in der die Figur war, und mit dem, was die Figur tat.

 

Wenn in einem Buch jemand Kindern glaubhaft erklärt, dass unter der Erde vergessene Keller einer abgebrannten Burg seien müssen, mit Kisten voller Gold, wollen die Kinder sie finden. Das konnte ich als Kind beim Lesen gut nachfühlen. Ich stellte mir vor, dabei zu sein und spürte selber dieses Verlangen, zu handeln und das Gold zu suchen. Das ist wichtig. Das Verlangen der Romanfigur muss ein Verlangen sein, das ich als Leser so gut nachempfinde, dass ich es selber in mir spüre. Es muss etwas sein, dass auch ich wollen würde. Etwas, bei dem ich den Kindern wünsche, dass sie es bekommen.

 

Wenn ich arbeite, stört es mich nicht, wenn jemand fernsieht. Ich sehe nicht hin. Aber einmal musste ich hinsehen. Ich hatte keine Zeit, ich hätte arbeiten müssen, aber das konnte ich nicht. Ich wollte nicht fernsehen, aber ich musste. Es war so spannend. Ein Polizist sollte verhindern, dass ein bezahlter Killer ein Kind erschießt. Ich wurde immer wütender. Besonders, als der Killer den Kollegen des Polizisten erschoss. Ich wusste: Es war nur ein Film. Wütend wurde ich trotzdem, und diese Wut zwang mich zuzusehen. Ich identifizierte mich mit dem Polizisten, stellte mir vor, ich wäre an seiner Stelle. Ich hatte das Gefühl: Ich muss handeln, sonst erschießt der Killer das Kind. Das ist Spannung. Das Verlangen, zu handeln. Der Killer zielte auf das Kind und wollte gerade schießen, da schlug ihm der Polizist von hinten einen Knüppel über die Rübe, und der Killer klatschte auf den Asphalt. Und ich genoss das gute Gefühl, das Kind gerettet zu haben. Dafür hatte es sich gelohnt, den Film zu sehen.

 

Bei einem spannenden Buch sollte schon der erste Satz spannend sein. Manchmal lese ich im Buchladen einen ersten Satz, lege das Buch weg, und frage mich, ob er spannend ist. Einmal war der erste Satz so spannend, dass ich zu dem Buchladen zurück gehen und lesen musste, wie es weitergeht. Der Autor hatte es geschafft, einen Satz zu formulieren, der mich dazu zwang. So weit ich mich erinnere, lautete der Satz ungefähr so: Die kleine Yacht trieb führerlos aufs offene Meer hinaus. Wäre ich in dieser Situation, hätte ich das Verlangen, zu handeln: Versuchen, an Bord zu gelangen, nachsehen, warum sie führerlos treibt, Überlebende retten, und die Yacht in Sicherheit bringen. Ich ging zurück zu dem Buchladen. Ich hatte keine Zeit, mehrere Seiten zu lesen. Ich schlug das Buch nur auf, weil ich damit rechnete, im nächsten Moment, noch auf der selben Seite, zu erfahren, ob das jemand tut. Und jemand tat genau das. Ich war beruhigt.

 

In dem ersten Satz, dem, der mich zum Lesen zwang, wurde keine Figur erwähnt. Es war allein die Situation, in die ich mich hineinversetzt habe.

Katz und Maus

In meinem Buch ist ein Junge gespannt, was in den Papieren steht, die auf dem Dachboden liegen, um herauszufinden, wo der Schatz versteckt ist. Ich hätte schreiben können, dass er auf den Dachboden steigt und die Papiere liest. Sobald er das getan hätte, wäre die Spannung verpufft.

Wie kann man die Spannung aufrecht erhalten?

Ein Mädchen zerbricht die Stange, die der Junge benötigt, um die Dachbodenklappe zu öffnen.

Der Junge beschließt, die Stange zu leimen, um dann schnell die Papiere zu lesen. Er ist gespannt, was drin steht.

Das Mädchen häckselt die Stange und macht Holzspäne daraus.

Der Junge bittet seinen Bruder, einen Ast und einen Kleiderbügel zu holen. Der Bruder ist gespannt, was er damit vorhat.

Der Junge bastelt daraus eine neue Stange. Jetzt, so glaubt er, kann er endlich die Klappe öffnen und ist gespannt, was in den Papieren steht.

Das Mädchen schraubt die Dachbodenklappe zu.

Der Junge beschließt, die Schrauben wieder herauszudrehen, und dann endlich die Papiere zu lesen. Er ist gespannt, was drin steht.

Das Mädchen zerstört die kreuzförmigen Schlitze in den Schraubenköpfen, damit sich die Schrauben nicht mehr drehen lassen.

Der Junge holt eine Kreissäge. Sein Bruder ist gespannt, was er damit vorhat.

Der Junge will an anderer Stelle ein Loch in die hölzerne Zimmerdecke sägen, um auf den Dachboden zu gelangen. Sein Bruder ist gespannt, ob das gelingt.

Es geht schief. Der Junge verletzt sich.

Nach einigen weiteren Zwischenfällen versucht er es noch mal, und diesmal gelingt es, er steigt auf den Dachboden, glaubt, nun endlich kurz davor zu sein, die Papiere lesen zu können, und ist gespannt, was drin steht.

Das Mädchen hat neben dem Loch eine Rattenfalle auf den Dachboden gestellt, woran der Junge sich die Hand verletzt.

Der Junge spült das Blut ab, klebt Pflaster auf seine Hand, steigt erneut auf den Dachboden, und ist endlich am Ziel. Er ist gespannt, was in den Papieren steht. Aber das Mädchen hat die Papiere gestohlen und in einer Windmühle versteckt.

Der Junge durchsucht die Windmühle nach den Papieren und ist gespannt, ob er sie findet.

Das Mädchen hat das vorhergesehen und unzählige schwere Getreidesäcke auf die Papiere geworfen.

Der Junge muss die Windmühle in Gang setzen, damit der Kran läuft, mit dem er die Säcke anheben kann, und ist gespannt, ob das gelingt. Er schafft die Säcke weg, findet darunter die Papiere, und kann sie nun endlich lesen. Sein Bruder fragt, was drin steht, und ist gespannt auf die Antwort.

„Ich erzähle es dir später“, sagt der Junge. Sein Bruder muss warten. Und er ist schon so gespannt.

 

Ich habe mal im Kino einen Film gesehen und mich die ganze Zeit schlapp gelacht. Zwei Männer wollen eine Maus loswerden. Sie jagen die Maus, versuchen, sie zu finden, zu erschlagen, zu erschießen, zu fangen. Immer wieder. Sie stellen unzählige Fallen auf. Sie holen einen Kammerjäger, der es auch nicht schafft. Der ganze Film handelt fast nur davon, dass sie die Maus loswerden wollen, und die Maus das Gegenteil will. Es gibt unzählige Filme, die ähnlich aufgebaut sind.

Eine heiße Spur lässt die Figur glauben, kurz vor dem Ziel zu sein.

In einem alten Film, den ich spannend fand, sah eine alte Dame, wie ein Mann in einem Zug eine Frau erwürgte. Sie ließ den Zug nach der Leiche durchsuchen, und ich war gespannt, ob sie die Leiche findet und den Mord aufklärt. Die Leiche musste hinausgeworfen worden sein, und die alte Dame rechnete aus, an welchem Streckenabschnitt. Das Bahngelände zu betreten, war verboten. Sie verkleidete sich als Bahngleisarbeiterin und suchte die Umgebung der Bahngleise ab, und ich war gespannt, ob sie dort die Leiche findet. Sie fand eine Mauer mit Spuren der Kleidung der Leiche dran. Die Mauer war zu hoch, aber sie schaffte es mit einem Trick, dennoch hinaufzuklettern, und ich war gespannt, ob sie hinter der Mauer die Leiche findet. Dort war ein Haus, und es gab Schleifspuren der Leiche im Gebüsch, doch das Haus war bewohnt, so dass sie es unmöglich heimlich durchsuchen konnte. Sie ließ sich als Hauswirtschafterin einstellen, um unerkannt zu bleiben, und ich war gespannt, ob sie in dem Haus die Leiche findet. Im Haus war die Leiche nicht, aber das Haus hatte ein Nebengebäude. Sie spielte Golf, der Golfball landete bei dem Nebengebäude, und sie nahm das als Vorwand, unauffällig dort hin gehen zu können. Ich war gespannt, ob sie dort die Leiche findet. Im Nebengebäude war eine Tür. Die war verriegelt. Sie öffnete die Riegel, und ich war gespannt, ob sie dahinter die Leiche findet, doch jemand verbot ihr, die Tür zu öffnen. Sie kam nachts wieder, und während sie noch einmal die Riegel öffnete, war ich gespannt, ob sie erwischt wird, und ob sie hinter der Tür die Leiche findet. Hinter der Tür fand sie eine Kiste, und ich war gespannt, ob darin die Leiche ist. Sie öffnete die Kiste. Und fand die Leiche.

 

Warum glaubt die Figur immer wieder, kurz vor dem Ziel zu sein? Weil sie immer zu wissen glaubt, wo die Leiche sein muss. Der Mord fand im Zug statt, deshalb glaubt sie, die Leiche müsse im Zug sein. Die Spuren zeigen: Die Leiche muss hinter der Mauer sein. Die Spuren im Gebüsch zeigen: Die Leiche muss in dem Haus sein. 

 

Ich mag es, wenn ich beim Lesen immer ganz genau weiß, was zu tun ist. Als Leser erwarte ich, beim Lesen im nächsten Moment, auf der selben Seite oder der nächsten Seite meinem Ziel näher zu kommen. Dazu muss ich die Seite lesen. Und wenn das auf jede Seite zutrifft, muss ich das ganze Buch lesen.

 

Es macht Freude, dem Ziel näher gekommen zu sein. Auf dem richtigen Weg zu sein. Die Leiche wurde noch nicht gefunden, aber eine neue Spur im Gebüsch. Es hat sich gelohnt, über die Mauer zu klettern. Und gelohnt, weiter zu lesen.

 

Je näher der Moment rückt, wo ich es erfahre, desto gespannter bin ich. Wenn ich damit rechne, es im nächsten Moment zu erfahren, ist die Spannung am größten. Wenn das auf jeder Seite, in jeder Szene so ist, bin ich die ganze Zeit gespannt.

Mach es exakt so schwierig, dass sie es nur schafft, wenn sie alles gibt.

In meiner Schulzeit habe ich mal Badminton gespielt gegen meinen Sportlehrer. Es war aussichtslos. Ich wusste, dass ich verliere. Es machte keinen Spaß und war nicht spannend. Ich habe mich nicht angestrengt. Ich hatte sowieso keine Chance.

 

Ein anderes Mal habe ich gegen eine Anfängerin gespielt und habe natürlich gewonnen. Ich wusste, dass ich gewinne. Ich brauchte mich nicht anzustrengen. Spannend war es nicht.

 

Aber einmal habe ich gegen eine ebenbürtige Gegnerin gespielt. Ich meine, ich hätte das erste Spiel verloren. Aber dann wollte ich es ihr zeigen. Ich habe mich angestrengt. Ich habe alles gegeben. Ich wollte um jeden Preis gewinnen. Ich wusste nicht, ob ich gewinne, aber ich hatte eine Chance, und die wollte ich nutzen. Es war spannend. Und ich habe gewonnen. Weil ich mich angestrengt hatte.

 

Wenn das, was die Romanfigur schaffen will, gerade so schwer ist, dass sie es vielleicht noch schaffen kann, nicht zu leicht und nicht zu schwer, so dass ich als Leser nicht weiß, wie es ausgeht, dann ist es spannend. Dann habe ich das Gefühl, ich müsse mich anstrengen, müsse alles geben, um es zu schaffen. Dieses starke Verlangen, zu handeln, das ist Spannung. Deshalb müssen manche Szenen gut ausgehen, und manche schief gehen. Sonst weiß man ja schon, wie es ausgeht. Und wenn man weiß, wie es ausgeht, ist es nicht mehr spannend. Wenn es immer gut ausgeht, hat man das Gefühl: Ich muss mich nicht anstrengen, es geht ja sowieso immer gut aus. Wenn es immer schief geht, hat man das Gefühl: Ich muss mich nicht anstrengen. Es hat ja sowieso keinen Sinn. Wenn es aber mal gut ausgeht, und mal nicht, hat man das Gefühl, dass es nur dann gut ausgeht, wenn man sich anstrengt. Wenn man mit vollem Einsatz mit der Figur mitfiebert.

 

Wenn ein Fußballspiel weder zu schwer noch zu leicht ist, wenn der Gegner ebenbürtig ist, wenn der Fußballfan nicht weiß, wie es ausgeht, dann und nur dann ist er Feuer und Flamme. Und brüllt in den Fernseher: „Schieß doch! Schieß doch!“

 

Die spannendeste Stelle in einem der spannendsten Filme war der Blitzeinschlag in die Rathausuhr. Genau in dem Moment muss das Zeitmaschinenauto am Rathaus vorbeirasen, und das Kabel angeschlossen sein. Aber im letzten Moment rutschte der Stecker raus, und das Auto sprang nicht an.

 

Ich saß gespannt vor dem Fernseher und dachte: Was tun? Ich hatte mich in die Figuren hineinversetzt, und es fühlte sich für mich an, als wäre ich selber in dem Film. Ich wusste: Wenn ich den Moment des Blitzeinschlags verpasse, ist alles aus. Ich hatte nur einen einzigen Versuch. Um so mehr musste ich mich anstrengen. Ich musste alles geben.

 

Und mir blieben nur noch wenige Sekunden. Ich musste den Stecker einstecken. Aber ich kam nicht dran. Ich musste es so schnell wie möglich schaffen. Das machte es noch schwieriger. Noch ein Grund, alles zu geben. Hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich mich nicht so anstrengen müssen. Dann wäre es leicht gewesen. Aber der Zeitdruck machte es schwierig.

 

In einem Buch las ich von Kindern, die ein paar Bösewichte endlich erwischen und in dem Moment erfahren, dass jemand anders den Fall längst aufgeklärt hat. Er lässt die Bösewichte verhaften, und die Kinder schauen tatenlos zu und langweilen sich. Die Autorin hatte es den Kindern viel zu leicht gemacht, so dass sie keinen Grund und auch kein Verlangen hatten, zu handeln.

 

Oft las ich, dass die Hauptfigur in eine Falle gerät. So was hasse ich. Die Figur kann nicht mehr handeln und ist gezwungen, untätig abzuwarten. Das ist langweilig.

 

Hätte meine Gegnerin beim Badminton mich absichtlich gewinnen lassen, hätte ich mich nicht anstrengen müssen, und es wäre nicht spannend gewesen. Der Bösewicht muss sich genauso anstrengen, wie die Hauptfigur. Ein Bösewicht kennt keine Gnade.

 

Wenn eine Figur alles gibt, heißt das auch, dass sie so klug handelt, wie sie nur kann. Dummes Handeln hat keine Notwendigkeit und verdirbt mir die Leselust. Wenn die Figur ihre Probleme durch eigene Dummheit selbst verursacht. Sich durch Dummheit selbst in Gefahr bringt. Ich identifiziere mich mit der Figur und habe das Gefühl, ich hätte den Fehler gemacht. Das vermiest mir den Spaß am Lesen.

Unterbrich an der spannendsten Stelle.

Manchmal sollte man eine Handlung an der spannendsten Stelle unterbrechen und in einen anderen Handlungsstrang an einem anderen Ort wechseln. Es soll Autoren geben, die dann schreiben, was eine andere Figur dort erlebt. Als wäre es nicht möglich, die handelnde Figur beizubehalten.

 

Beispiel aus einem alten Kinderbuch: Eine Schatzkarte führt ein paar Kinder zu einer am Boden liegenden Steinplatte, die sie öffnen und darunter eine große Höhle entdecken. Darin muss der Schatz versteckt sein. Sie sind kurz vor dem Ziel, es ist die spannendste Stelle, aber sie unterbrechen die Schatzsuche und gehen nach Hause. Weil sie ohne Leiter nicht hinunter können. Zu Hause bekommen sie Hausarrest. Es folgen zehn Seiten Versuche, trotzdem aus dem Haus zu kommen, und ich war die ganze Zeit gespannt, wie es mit dem offenen Schatzversteck weiter geht. Ich konnte es kaum abwarten. Ihr Ziel ist es, aus dem aus dem Haus zu kommen. Als ihnen das gelingt, bleibt es spannend, weil ich weiterhin gespannt bin, wie es mit der Schatzsuche weitergeht. Immer wenn die Spannung eines Handlungsstranges nachlässt, z.B., weil die Figur das Ziel erreicht, ist es gut, wenn es einen zuvor unterbrochenen zweiten Handlungsstrang gibt. So bleibt es immer spannend.

 

Was sind Handlungsstränge, und wie schreibt man die? Beispiel: In meinem Buch möchte der Junge, der die Hauptfigur ist, Informationen vom Dachboden holen, wo der Schatz versteckt ist. Das geht viele Male schief, und er versucht es immer wieder auf andere Weise. Das ist ein Handlungsstrang. Der Junge möchte an etwas zu Essen gelangen. Auch das geht viele Male schief, und er versucht auch das immer wieder auf andere Weise. Das ist ein zweiter Handlungsstrang. Er kann zwischen den Handlungssträngen hin und her wechseln. Mal versucht er, auf den Dachboden zu gelangen. Mal unterbricht er dies oder wird gezwungen, zu unterbrechen, und versucht, an etwas zu Essen zu gelangen. Dann unterbricht er das, und unternimmt den nächsten Versuch, auf den Dachboden zu gelangen.

 

Es kann noch mehr Handlungsstränge geben, aber möglichst nicht so viele, dass der Leser die Übersicht verliert.

 

Anderes Beispiel aus meinem Buch: Der Junge unterbricht die Schatzsuche, als jemand versucht, das Mädchen zu ermorden. Da muss er dem Mädchen das Leben retten und dafür sorgen, dass der Mörder verhaftet wird. Aber wenn er sofort zur Polizei ginge, hätte er keine Gelegenheit, den Schatz zu suchen. Er unterbricht die Mordaufklärung und sucht den Schatz. Immer, wenn er den Schatz sucht, ist der Leser gespannt, ob er ihn findet, und gespannt, wann es mit dem Krimi weitergeht. Immer wenn er den Mord aufklären will, ist der Leser gespannt, ob der Mörder gefasst wird, und wann es mit der Schatzsuche weitergeht. Es sind zwei Handlungsstränge, obwohl es nur eine handelnde Figur ist und nur eine Geschichte.

Überprüfe, ob das Ziel nachfühlbar ist und zum Handeln treibt.

Ein Freund erzählte mir in meiner Kindheit, er hätte unter einem verlassenen Bahnhofsgebäude in einem verbotenen Keller ein Rauschgiftlager entdeckt. Ich fand das so spannend, dass ich sofort mit ihm dort hin wanderte. Als Kind fand ich es spannend, nach etwas zu suchen, was Kriminelle irgendwo versteckt hatten. Ein anderes Mal erzählte er, er hätte in einem verlassenen Steinbruch Kristalle gefunden. Vielleicht Diamanten. Da bin ich auch mit ihm hingewandert. Obwohl das „Rauschgift“ sich als Streusalz herausstellte, und die „Diamanten“ als Quarz, hat er mich mit diesen und anderen haarsträubenden Erzählungen immer wieder in Spannung versetzt und in mir das Verlangen geweckt, zu handeln. Mit ihm etwas zu unternehmen. Das war es, was er wollte.

 

Eine Belohnung. Etwas Wertvolles, das auf dem Spiel steht. Etwas, das die Romanfigur haben will. Oder nicht verlieren will, z.B. Gold, ein entführtes Kind, Gerechtigkeit, Menschenleben. Etwas, das so wertvoll ist, dass die Hauptfigur ein starkes Verlangen danach hat.

 

Als Kind las ich ein Buch, da erzählte ein alter Trödler, er sei in allen Bibliotheken des Landes gewesen und erklärt zwei Kindern, warum er glaubt, dass irgendwo unter der Erde vergessene Keller einer abgebrannten Burg seien müssen. Was war da drin? Und ist es noch dort? Wahrscheinlich Kisten voller Gold. Er erklärt das so ausführlich, so logisch und schlüssig, dass die Kinder es glauben. Sie wollen die Kisten voller Gold finden. Das konnte ich als Kind beim Lesen gut nachfühlen. Ich habe mir vorgestellt, dabei zu sein und spürte selber dieses Verlangen, das Gold zu finden. Ich konnte kaum abwarten, dass die Suche begann.

 

Bei spannenden Romanen setzt sich die Hauptfigur meist am Anfang ein Ziel. Und gegen Ende des Roman erreicht sie es.

 

Bei einer Schatzsuche findet die Hauptfigur z.B. am Anfang eine Schatzkarte und setzt sich das Ziel, den Schatz zu finden. Am Ende findet sie ihn. Beim Krimi findet der Ermittler am Anfang eine Leiche und setzt sich das Ziel, den Mord aufzuklären. Am Ende klärt er den Mord auf und überführt den Mörder.

 

Das Ziel sollte sich die Hauptfigur früh setzen. Logischerweise. Weil alles, was vor der Zielsetzung geschieht, den Leser langweilt. Weil erst dann, wenn die Hauptfigur ein Ziel hat, die eigentliche Handlung beginnt. Diese Zielsetzung setzt die eigentliche Handlung und Spannung in Gang.

Wecke Gefühle, welche die Figur zum Handeln treiben.

Die Kinder in den Filmen und Büchern, die ich als Kind sah und las, hatten oft so viel Spaß, dass ich nicht aufhören konnte, zu lesen, und mich so tief in die Situation hineinversetzt habe, dass ich vergessen habe, dass das alles nur erfundene Geschichten waren, und mich geärgert habe, wie unfair es war, dass die Kinder in den Filmen und Büchern so was schönes erleben durften, und ich nicht. Ich habe mir immer sehnlichst gewünscht, ich wäre dabei. Und habe es oft kaum ausgehalten, nicht dabei sein zu dürfen. Wenn ich nicht dabei sein kann, will ich es wenigstens lesen, um mir vorzustellen, dabei zu sein. Meist lockte schon das Titelbild des Buches mit einer Situation, in der ich auch gerne wäre.

 

Die Voraussetzung dafür, dass eine Tätigkeit Spaß machen kann, ist, dass die Figur gute Freunde bei sich hat. Spaß macht all das oben erwähnte nur mit guten Freunden. Ich lese nicht gerne Bücher, in denen Kinder allein sind, und auch mir machten Abenteuer als Kind am meisten Spaß, wenn noch zwei oder besser drei Freunde bei mir waren, am liebsten Jungs und Mädchen, und mein Hund.

 

Eine weitere Voraussetzung dafür, dass Kinder Spaß haben, ist eine interessante Umgebung. An einem wunderschönen Südseestrand macht alles viel mehr Spaß.

 

Dass es eine Situation sein soll, in der ich gerne wäre, kann bedeuten, dass es eine angenehme Situation ist, aber es wäre ein Irrtum, zu glauben, das müsse auf jeden Fall so sein. Auch am schönsten Südseestrand kann es Verbrecher geben, und wenn die hinter meinem Kind her wären, und es erschießen wollten, wäre ich dann gerne bei dem Kind, um es zu beschützen? Natürlich!

 

Wenn meine Nachbarn überfallen worden wären, wäre ich dann gerne bei ihnen, um zu helfen? Auf jeden Fall.

 

Spaß ist nicht das einzige Gefühl, das ein Verlangen erzeugt, zu handeln. Es gibt noch mehr Gefühle, die das können, z.B. Wut. Wenn jemand sich der Romanfigur gegenüber unverschämt verhält und frech wird, macht das mich als Leser wütend. Dann freue ich mich, wenn sie ihm ordentlich die Meinung sagt.

 

Wenn derjenige ein Betrüger ist, werde ich noch wütender und freue mich, wenn die Romanfigur es ihm heimzahlt und ihn bloßstellt. Und ich lese gerne, dass der Bösewicht stinksauer wird, vor Wut kreischt, irgendwas kaputt haut und ausrastet, weil er nicht bekommt, was er sich ergaunern wollte.

 

In einem Film zerstört die Hauptfigur illegale Videos. Der Bösewicht merkt, dass all seine kostbaren Videos unwiederbringlich verloren sind. Wenn er dann vor Wut seinen Laptop kaputt haut, lache ich vor Vergnügen.

 

Wenn es noch schlimmer kommt, empfinde ich so viel Wut, dass es mir ein Vergnügen ist, wenn der Bösewicht ordentlich verdroschen wird.
 

Es kann sein, dass er sogar ein Verbrechen begeht. Dann freue ich mich auf die Stelle, wo ich mit Vergnügen lesen darf, dass er verhaftet wird, vor Gericht muss und ins Gefängnis.

 

Man kann es aber auch übertreiben. In einem Film schlägt ein Massenmörder einen Polizisten zusammen und flüchtet in einem Flugzeug, aus dem Benzin ausläuft. Der Polizist liegt blutend am Boden, holt mit letzter Kraft sein Feuerzeug hervor, zündet die Benzinspur an, das Flugzeug gerät in Brand, hebt ab und explodiert. So was passt nicht in ein Kinderbuch.

Teil zwei: Beispiele aus Literatur und Film

Unter Efeu verborgenes Haus

In einem Buch wandern Kinder durch einen verlassenen Sumpf und finden einen Teich. Da sind Wasserlilien und Steine wie Stufen. Sie entfernen das Moos, und merken: Es sind Stufen. Ein Haus muss in der Nähe sein. Sie reißen Efeu und Dornen weg und finden Stufen, Mauerwerk, Steine. Da muss ein winziges Haus sein. Ob darin der Schatz versteckt ist? Das Haus ist so sehr mit Efeuranken, Zweigen und Ästen überwuchert, dass sie nicht dran kommen. Ein Junge holt eine Axt, zerhackt das Efeu, und langsam kommt eine Tür zum Vorschein. Er vergrößert das Loch, bis sie an die Klinke kommen, doch die ist verrostet. Sie versuchen vergeblich, die Tür zu öffnen, und zerkratzen sich die Hände. Fenster sind nicht zu finden. Ob sie die Tür mit der Axt einschlagen sollen? Sie tun es. Innen ist es dunkel. Zufällig hat einer einen Kerzenstummel und Streichhölzer. Alles ist voller Spinnweben. Sie beschließen, dass es nun ihr Haus sein soll, und machen Pläne, das Efeu von den Fenstern zu entfernen. Sie wollen Besen und Putzzeug holen, alles säubern, Feuer machen und sich Tee kochen. Der Ofen raucht und zieht nicht. Der Schornstein ist verstopft. Sie fegen ihn. Gestrüpp und ein Vogelnest fallen heraus. Und ein Kasten mit einer Schatzkarte.

 

Warum fand ich das spannend? Mit Freunden durch den Sumpf wandern, in einem Teich baden, mit der Axt hacken, in leerstehende Häuser eindringen, Streichhölzer anzünden und Kerzen, Feuer machen und kochen, genau das haben meine Freunde und ich als Kinder auch gerne gemacht, und wir hatten viel Spaß dabei. Wie die Kinder in dem Buch haben auch wir uns gerne eine Wohnung eingerichtet, in einer selbstgenagelten Bude, in einem selbst gebastelten Zelt, im Gebüsch, auf einem Baum, in einem leerstehenden Haus oder in einer Höhle. Höhlen haben wir gerne erforscht. Ich hatte als Kind eine selbst gebaute unterirdische Grotte unterm Gemüsegarten. Kinder richten sich gerne eine geheime Zuflucht ein.

Eine geheime Zuflucht ist notwendig

Ein Kind wird auf einer Insel gefangen gehaltenen. Um es befreien zu können, müssen ein paar Kinder die Entführer beobachten und sich einige Tage auf der Insel aufhalten, ohne erwischt werden. Die Kinder packen den Inhalt der Speisekammer ein, Wasser, Spirituskocher, Spiritus, Streichhölzer, Kerzen, Topf, Pfanne, Besteck, Saft, Decken, Kissen und müssen zwei Schubkarren holen, um alles ins Ruderboot zu karren. Alles heimlich in der Nacht. Sie müssen still sein, damit niemand von den Erwachsenen aufwacht. Sie gehen noch vor Tagesanbruch zum Bäcker und zum Metzger, rudern zu der einsamen Insel, landen in einer Bucht mit Sandküste und hohen Felsen drum herum, richten sich eine wunderschöne Höhle zum Schlafen ein und sitzen abends am Lagerfeuer. Das fand ich als Kind so was von spannend. Wie gerne wäre ich dabei gewesen.

Trödler und Gang

Als Kind las ich ein Buch, da erzählte ein alter Trödler, er sei in allen Bibliotheken des Landes gewesen und erklärt zwei Kindern, warum er glaubt, dass irgendwo unter der Erde vergessene Keller einer abgebrannten Burg seien müssen. Was war da drin? Und ist es noch dort? Wahrscheinlich Kisten voller Gold. Er erklärt das so ausführlich, so logisch und schlüssig, dass die Kinder es glauben. Sie wollen die Kisten voller Gold finden. Das konnte ich als Kind beim Lesen gut nachfühlen. Ich habe mir vorgestellt, dabei zu sein und spürte selber dieses Verlangen, das Gold zu finden. Ich konnte kaum abwarten, dass die Suche begann. Aber genau an dieser spannenden Stelle mussten die Kinder unterbrechen, weil die Erwachsenen von den Kindern verlangten, das Hühnerhaus zu reparieren. Ein paar andere, böse, Erwachsene erfahren auch von den Schätzen und wollen sie haben. Die Gegner sind in der Überzahl, sind stärker als die Kinder, und haben Maschinen. Nur die Kinder wissen, dass es wahrscheinlich einen unterirdischen Gang ins Schatzversteck gibt. Die einzige Chance, vor ihren Gegnern in die unterirdischen Keller zu gelangen. Aber die Zeit wird knapp. Die Kinder suchen den unterirdischen Gang, finden ihn nicht. Es gibt Streit mit den Gegnern, die ihnen verbieten, zu graben. Der Hund und ein zahmer Vogel verschwinden in einem Kaninchenloch, kommen nach einiger Zeit wieder heraus und bringen einen antiken Dolch und einen Fingerring mit, was beweist, dass der Gang existiert und zu der Schatzkammer führt. Sie holen Spaten und fangen an zu graben. Einer ihrer Gegner verbietet ihnen, zu graben, doch nach einem kurzen Streit graben sie weiter und stoßen auf den unterirdischen Gang. Um hinunter zu können, vergrößern sie das Loch. Das war wieder eine besonders spannende Stelle. Ich konnte kaum abwarten, zu lesen, wie sie in das Loch springen und den Gang erforschen. Doch genau an dieser spannenden Stelle müssen sie unterbrechen. Es ist Essenszeit, und sie halten es nicht aus vor Hunger. Sie lassen den Hund als Wache zurück. Die Gegner kommen, reden kurz über das Loch, und werden durch den Hund ferngehalten. Nach dem Essen springt das erste Kind in den unterirdischen Gang, fängt die Taschenlampen auf, die ihm zugeworfen werden, und die anderen folgen.

 

Wie spannend es ist, einen unterirdischen Gang zu finden und zu erforschen, weiß ich aus meiner Kindheit. Mein Freund und ich, wir haben als Kinder einen unterirdischen Gang entdeckt und erforscht. Mit einer kleinen Taschenlampe sind wir in die tiefe Dunkelheit hineingestiegen, unter der Erde entlang gekrochen und waren gespannt, wohin er führt.

Steinplatte

Als Kind las ich ein Buch, da suchten Kinder bei einem Gewitter im Dunkeln Unterschlupf in einem verfallenen Haus. Mitten in der Nacht wollten Leute das Haus betreten, sahen die Kinder und gingen wieder. Das fand ich spannend. Was wollten die nachts dort? Die Kinder wollten das herausfinden. In einer anderen Nacht versteckten sie sich in dem Haus, um zu lauschen. Die Leute kamen und unterhielten sich darüber, dass hinter einer Steinplatte etwas Wertvolles versteckt sein musste. Wo diese Steinplatte zu finden war, wussten die Leute nicht. Die Kinder beschlossen, die Steinplatte zu suchen, und es begann ein spannendes Abenteuer. Sie wollten wissen, wo die Steinplatte ist, und was dahinter ist.

Tauchen und Diebesbeute bergen

Einmal las ich als Kind in einem Buch über Kinder, denen ein Plan von Dieben in die Hände gerät. Der Plan zeigt eine Stelle auf einem See, dort liege die Diebesbeute auf dem Grund. Die Kinder paddeln auf einem Floß über den einsamen See. Da kommen zwei Erwachsene im Boot auf sie zu. Es kommt zum Zusammenstoß und zu einem heftigen Streit. Kurz nachdem die Erwachsenen weg sind, taucht ein Kind zum Grund und findet ein versenktes Boot mit einem Sack drin. Inzwischen sind die Erwachsenen am Ufer und beobachten die Kinder mit einem Fernglas. Um nicht beobachtet werden zu können, schleichen die Kinder in der Nacht zum See. Sie steigen aufs Floß und paddeln zu der Stelle. Zwei Kinder tauchen. Eins öffnet unter Wasser die Augen und findet das versenkte Boot wieder. Sie legen ein Seil um den Sack, tauchen auf, um Luft zu holen, und tauchen wieder, um den Sack zu befestigen. Beim Heraufziehen schaukelt das Floß und ein Kind fällt ins Wasser. Sie ziehen noch mal. Der Sack kommt herauf. Ihn aufs Floß zu heben, ohne es umzukippen, ist unmöglich. Zitternd vor Kälte paddeln sie zum Ufer und ziehen den Sack hinter sich her, gespannt, was drin ist. Sie öffnen ihn, und er enthält lauter gestohlene Juwelen.

 

Ich fand das als Kind so spannend und hatte so viele Fragen: Wann und wo werden sie die Polizei erreichen? Wird man ihnen glauben? Was geschieht mit den Juwelen? Werden die Gegner gefasst und verhaftet? Kommen sie rechtzeitig in der Schule an? Was sagen die Mitschüler?

 

Warum hatte ich diese Fragen? Warum wollte ich die Antworten auf diese Fragen wissen? Weil ich das Gefühl hatte, ich sei eine der handelnden Figuren, und müsste andernfalls was tun, damit sie die Polizei erreichen, damit die Juwelen zur Eigentümerein zurück gelangen.

Eingeschlagenes Fenster im Nachbarhaus

Ein spannendes Buch begann so: Jemand wacht mitten in der Nacht auf und wundert sich, warum. Irgend etwas hat er gehört, kann sich aber nicht erinnern, was. Er versucht, in der Dunkelheit das Nachbarhaus zu erkennen. Irgend etwas sieht anders aus. Kaum hörbar schreit ein Vogel. Ist es wirklich ein Vogel? Oder schreit da ein Mensch? Das kleine Fenster des Nachbarhauses steht offen. Das stand in all Jahren nie nachts offen. Seine Frau, die bessere Augen hat, blickt zum Nachbarhaus und erkennt: Das Fenster steht nicht offen. Es ist eingeschlagen. Und jemand schreit um Hilfe.

 

Wärst du in einer solchen Situation, hättest auch du das Verlangen, sofort etwas zu tun. Und wenn du nur die Polizei rufen würdest.

Zeitmaschine

Vor einiger Zeit sahen wir mit der Familie einen alten Film. Ein junger Mann ist versehentlich mit einem Zeitmaschinenauto dreißig Jahre in die Vergangenheit gereist und will zurückreisen. Er weiß, in welchem Moment ein Blitz in die Rathausuhr einschlägt. Der Strom des Blitzes muss in das schnell fahrende Zeitmaschinenauto geleitet werden. Verpasst er den Moment, kann er nie mehr in seine Heimatzeit zurück. Kurz bevor der Blitz einschlägt, rutscht von dem Kabel, das den Strom des Blitzes leiten soll, der Stecker raus. Sein Freund, ein Professor, klettert hinauf zur Rathausuhr, um ihn wieder einzustecken, was aber nicht möglich ist, weil ein Ast auf dem Kabel liegt. Im Zeitmaschinenauto klingelt der Wecker. Der junge Mann muss losfahren. Aber das Auto springt nicht an! Meine Tochter war so gespannt, dass sie sagte: „Pst! Nicht stören!“ Sie war ganz unruhig und duldete keinerlei Unterbrechung oder Ablenkung. Und ich auch nicht. Ich wollte, dass der Zeitsprung gelingt. Ich war ganz aufgeregt und duldete keine Ablenkung, weil ich mit aller Anstrengung überlegte: Was tun? Wie kriegt der Professor den Stecker zu fassen? Nicht das Bein bewegen, damit der Stecker nicht von der Hose abfällt, an der er hängen geblieben ist! Er zieht am Kabel, um den Stecker einzustecken, und dadurch rutscht unten ein anderer Stecker raus. Wie kommt er schnell genug nach unten, um den wieder einzustecken? Das angestrengte Denken, um eine Idee zu haben, unter Zeitdruck, ließ keine Ablenkung zu. Ich hatte das Gefühl, ich sei in der Situation, und müsste dafür sorgen, dass alles funktioniert. Es kam auf jede Sekunde an. Das Zeitmaschinenauto musste schnell genug fahren. Aber es sprang nicht an! Was sollte ich nur tun? Nicht aufgeben! Du musst das jetzt schaffen! Als es im letzten Moment doch noch gelang, war ich enorm erleichtert und sagte zu meinen Kindern, die mit mir zugeschaut hatten: „Puh! Geschafft!“ Ich freute mich mit dem Professor, dass er es fertiggebracht hatte, den jungen Mann in seine Heimatzeit reisen zu lassen, und ich freute mich mit dem jungen Mann. Dieses Gefühl, es geschafft zu haben, diese Erleichterung tat gut. Es hatte sich gelohnt, den Film zu sehen.

Noch was zum Thema „Schwierig machen“

Auf den Balkon

Als Kind bin ich mit einem Freund über einen Baum auf eine Garage geklettert und von dort aus in luftiger Höhe im ersten Stock über eine gefährlich schmale Fensterüberdachung balanciert. Ich musste mich nach vorn kippen lassen und im Fallen ein Balkongeländer zu fassen kriegen, an den Balkon springen und übers Geländer klettern, um durch die offene Balkontür in ein leerstehendes Haus zu gelangen. Warum ich das gemacht habe? Viel wichtiger, als ins Haus zu gelangen, war es, mir und meinem Freund zu beweisen, dass ich die schwierige und gefährliche Kletterpartie schaffe. Es war auch eine Art Mutprobe. Wir haben als Kinder so manche Mutproben gemacht und hatten viel Spaß dabei.

Felsen in den Abgrund

Als Kinder wollten wir einen riesigen, viele Tonnen schweren Felsen in einen tiefen Abgrund stürzen. Dazu habe ich mir heimlich und unerlaubt den hydraulischen Wagenheber meines Vaters ausgeliehen. Wir Kinder mussten auf einen Felsvorsprung klettern, und es war schwierig, den Wagenheber anzusetzen, ohne dass er abrutschte. Nach ein paar Minuten versagte er. Wir waren verzweifelt. Uns war klar: Wir schaffen es nicht. Was würde mein Vater sagen, wenn er den Wagenheber kaputt zurück bekam? Wir Kinder wussten nicht, dass so ein Gerät waagerecht nicht funktioniert, weil das Hydrauliköl dann nicht zurückfließt. Es dauerte, bis wir merkten, dass er in senkrechter Stellung einwandfrei arbeitete. Wir schaffen es doch! So dachten wir. Aber ihn senkrecht anzusetzen, war kaum möglich bei diesem Felsen. Mal sah es gut aus. Dann wieder nicht. Wir wussten nicht, ob wir es schaffen. Erst nachdem wir stundenlang in heißer Sonne gearbeitet hatten, gelang es. Der Felsen kippte und stürzte in die Tiefe. Wir hatten es geschafft. Wir hatten gesiegt. Das war ein Gefühl!

 

Warum haben wir das gemacht, obwohl es so schwierig war? Wir haben es gemacht, weil es schwierig war.

 

Wir Menschen sind so. Auch Erwachsene. Wir tun gern Dinge, die schwierig sind, einfach weil sie schwierig sind.

 

Das ist der Grund, warum Menschen auf dem Mond gelandet sind.

 

 

 

Andreas Hillerkus
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Ich habe übrigens noch andere Hobbys. Ich baue z.B. Gulaschkanonen.